Der Definition des Oxford Dudens zufolge ist Gewalt die “Macht und Befugnis, Recht und Mittel, über jemanden/etwas zu bestimmen”. Gewalt wird dort als „rücksichtslos angewandte Macht” und „unrechtmäßiges Vorgehen” beschrieben. 

Grobes, rabiates Verhalten meinerseits ist nur in absoluten Ausnahmefällen gerechtfertigt, nämlich dann, wenn es um ein Vermeiden von Gefahren geht (z. B. Pferd geht durch an befahrener Straße, blutende Wunde stillen, Pferd greift ein anderes Lebewesen an und es besteht ernste Gefahr).

2. Arten der Gewalt

In diesem Beitrag unterteile ich Gewalt in vier verschiedene Arten:

A  verbale Gewalt

B  physische Gewalt

C. psychische Gewalt

D. Gewalt durch schlechte Haltung

Gewalt an Pferden-Zeichnung
Zeichnung von Teresa Moninger

A.Verbale Gewalt

Sprache ist unser bevorzugtes Ausdrucksmittel. Worte können motivieren, zum Lachen bringen, aber auch verletzen und einschüchtern. Mit Worten können wir uns und andere im wahrsten Sinne etwas einreden und vielleicht sogar gemäß der selbsterfüllenden Prophezeiung eine Prognose abgeben, die sich dann verwirklicht. Schnell werden bestimmte Pferdetypen, Rassen, Geschlechter oder sogar Farben in Schubladen gepackt. 

 “Die zickt wieder rum”, “Typisch Stute/Hengst eben”, “Der testet dich nur”, “Ihr muss mal gezeigt werden, wer der Boss ist”, „das Pferd fertig machen“. „die Fronten klären“!

Kommen dir solche Sätze bekannt vor? Und vielleicht hast du ja selbst auch schon so über das ein oder andere Pferd gesprochen. Oder deinen Hund. Oder einen Mitmenschen. 

Mit all jenen Sätzen dichten wir dem Pferd Gefühle und Beweggründe für sein Verhalten an. Und vielleicht dienen sie auch einfach dazu, uns Luft zu machen und eine schnelle Erklärung für ein bestimmtes Verhalten unseres Pferdes zu formulieren. 

Die “zickige Fuchsstute” oder der “bockige Hengst” sind nicht nur Geschlechter-Klichees, sondern oft einfach ungerechte Betitelungen. Nicht selten sind wir Menschen dabei im Unrecht, hat doch das Pferd unsere Körpersprache korrekt gelesen und dementsprechend geantwortet. Fehlendes Wissen und mangelnde Trainingserfahrung führen dann zu Missinterpretationen, die vom Menschen im harmlosesten, aber dennoch ungerechtem Sinne mit oben genannten Worten ausgedrückt werden. 

Eine weitere Art der verbalen Gewalt ist das Absprechen von Gefühlen. Schon der französische Philosoph René Descartes (1596-1650) verbreitete die These, dass Tiere Maschinen und somit seelenlos seien. Auch Aristoteles vertrat die Ansicht, Tiere existierten nur um des Menschens Willen.

Ich hoffe, dass du diesen beiden Herren längst voraus bist, und auf diesen Artikel gestoßen bist, weil dir das Wohl der Tiere und ihre Unversehrtheit am Herzen liegen.

“Das ist doch nur ein Pferd, der fühlt nichts”, „Übertreib mal nicht, das sind Tiere”, „Vermenschlicht das Viech doch nicht”, sind alles Sätze, die dem Pferd Empfindsamkeit absprechen. Die Gefahr hierin besteht, dass diese Annahme den Weg ebnet, auch physische Gewalt anzuwenden. 

Wer abfällig von seinem Tier redet, statt liebevoll nach dessen Beweggründen zu suchen, und wer nicht daran glaubt, dass Tiere sowohl physischen als auch seelischen Schmerz empfinden können, wird weniger Aufwand betreiben, nach tierlieben Wegen zu suchen und weniger Probleme damit haben, sein/ihr Pferd auch mal körperlich zu hart anzupacken. 

Wir Menschen haben die Möglichkeit, unseren Gefühlen Worte zu geben. Pferde haben das nicht. Und wenngleich sie den Sinn unserer Worte nicht verstehen können, so doch die Intonation und die Energie, mit der wir sie hervorbringen. Auch die Lautstärke spielt eine große Rolle. Kein Lebewesen, mich einbezogen, mag es, angeschrien zu werden. 

Was kann ich tun:
  • meine Ausdrucksweise überprüfen (Strichliste führen, wenn ich mich ertappe oder ertappt werde, dass ich meinem Pferd etwas andichte oder abspreche)
  • jeden negativen Gedanken mit zwei positiven Gedanken versehen
  • Aufschreiben, was du an deinem Tier liebst (und an dir selbst)
  • deine Wahrnehmung für verbale Gewalt schärfen (gezielt auf die Attribute achten, die Menschen Tieren geben, z. B. in den sozialen Medien, TV, Podcasts, Pferde-Fachzeitschriften) und alternative Worte finden
  • öfter mal in Stille mit deinem Pferd arbeiten
  • andere vorsichtig auf deren Ausdrucksweise hinweisen, und gemeinsam hinterfragen, was man damit bezweckt
Pferde am Strand

B. Physische Gewalt

Obwohl gewisse Haltungsformen auch unter physische Gewalt fallen können, möchte ich der Übersichtlichkeit wegen eine Unterscheidung machen und zunächst über körperliche Gewalt durch Trainingsmethoden und Hilfsmittel schreiben. 

Die offensichtlichste Gewalt an Pferden findet durch rohes Schlagen, Treten und Reißen am Strick statt. Auch in einem Laien löst ein solches Verhalten Unbehagen aus. 

Aber auch subtilere Mittel fallen meiner Meinung nach unter physische Gewalt. 

Führen wir uns noch einmal die Definition vor Augen: „unrechtmäßiges Vorgehen, rücksichtslos angewandte Macht” (Quelle: Oxford Duden). Ein drückender, schlecht angepasster Sattel, Hilfszügel, atemeinschränkende Kopfstücke (Sperriemen), Treten mit den Schenkeln mit und ohne Sporen, Rollkur, aggressive Körpersprache (auch wenn nicht beabsichtigt), Peitschen- und Gertenhiebe sind nur Beispiele in einer langen Liste. 

Auch ein Pferd, das auf engstem Kreis gezirkelt wird -womöglich noch im Trab und Galopp- ohne dass es die über Jahre hinweg aufgebaute Muskulatur und Balance hat, erfährt psychische und physische Gewalt (lese hier mehr dazu). Abgesehen von der extremen Belastung von Sehnen, Bändern und Gelenken bringt ein enges schnelles Zirkeln sehr viel Stress mit sich. Stell dir vor, du lernst gerade Radfahren oder Skaten und solltest in hoher Geschwindigkeit möglichst enge Kreise ziehen, und wirst auch noch nach innen gezogen und festgehalten. Der ständige Kampf, nicht umzufallen, ist dabei sicher groß.

Die meisten Pferde reagieren nur dann heftig, wenn sie das von uns Verlangte nicht verstehen, demnach überfordert sind oder schlichtweg nicht genug Zeit bekommen, etwas zu lernen. Wer dann denkt, zu noch mehr Ausrüstung (alleine das Wort Rüstung erinnert an Krieg und Kampf) und Hilfsmitteln greifen zu müssen, um auf das Pferd einzuwirken, sollte spätestens jetzt Innehalten und Ursachenforschung betreiben.

Institutionalisierte Gewalt durch Verbände, Leistungsprüfungen und Ausbildungsdogmen sind weitere Bereiche, in denen häufig niedergeschriebene Regeln falsches Handeln verharmlosen. 

Zudem gibt es auch noch rasse- und einsatzspezifische physische Gewaltanwendungen:

 

  • Chemikalien und Hufschuhe bei Tennesse Walking Pferden, um ein eindrucksvolles Gangbild zu erzwingen
  • Serreta Missbrauch bei Spaniern
  • Barren („Touchieren“) bei Springpferden
  • Rollkur (LDR) bei Dressurpferden
  • Schlagen (z. B. fürs Steigen),  Longen-Einsatz (beim Kompliment, zum Hinlegen) etc. in der Zirzensik
  • stundenlanges Hochbinden des Kopfes in Boxen bei Western Pleasure Pferden
  • mit der Gerte Schlagen bei Rennpferden
  • Doping durch Medikamente und Salben
  • Bauchgurt beim Rodeo
  • Ausbinder und brutales “Ablongieren” bei Schulpferden
  • Überforderung bei Distanzpferden 
  • Unwissen und schlechte Trainingsvorbereitung bei Wander- und Distanzpferden
  • Mangelernährung, sehr schlechtes Equipment und Hitze bei Kutschpferden (siehe aktuelle Todesfälle in New York, Touristen Kutschpferde in South Carolina, Pferde als Transportmittel in östlichen Ländern)

Diese Liste lässt sich mit Sicherheit noch endlos fortführen, aber an dieser Stelle sollte es reichen, um ein Gefühl zu bekommen.

Was kann ich tun:

  • mein Pferd kleinschrittig und geduldig vorbereiten
  • nach der Ursache für das Problem suchen und nicht an Symptomen herum laborieren
  • Widersetzlichkeiten als ein Ausdruck der Not des Pferdes sehen
  • passendes Equipment benutzen
  • vorausschauend mit dem Pferd agieren (set it up for success)
  • mich filmen und an meiner Körpersprache und Hilfengebung feilen
  • positive Verstärkung studieren

C. Psychische Gewalt

Die psychische Gewalt ist die Anwendung von emotionaler, oftmals unsichtbarer Gewalt. Hierunter fallen unter anderem Gewaltanwendungen wie Drohen und Angst machen. In dieser Art von Gewalt sehe ich Techniken wie das Join up (das Scheuchen des Pferdes im Round Pen, bis sich das Pferd „anschließt“), das „Aussacken“ und Flooding (Überflutung mit Reizen). Hier gilt es, ganz genau hinzuschauen, denn die Not der Pferde wird bei dieser Art der Gewalt oftmals nicht gesehen.

Eine kleine interessante Anekdote zum Join up: Hier wird behauptet, dass Pferd gewinne durch das Gejagt-Werden Vertrauen (die Idee finde ich schon paradox). Zu erkennen ist das „Vertrauen“ daran, dass sich das Pferd, wenn man den Druck wegnimmt, dem Menschen anschließen und folgen würde. Ein Versuch hat gezeigt, dass Pferde sich sogar einem ferngesteuerten Auto zuwenden und folgen, wenn ein solches ein Join up ausführt. Wie groß das Vertrauen zu einem Auto wohl sein mag? Hier kannst du mehr zu diesem Versuch lesen.

D. Gewalt durch schlechte Haltung

Diese Art der Gewalt kann lange unentdeckt bleiben, besonders in Privatpferdehaltung, wo wenig Überwachung von außen stattfindet. 

Nicht immer sind sich Menschen der Gewaltanwendung bewusst. Und bevor geurteilt wird, sollte stets das Gespräch gesucht werden. Finanzielle, gesundheitliche oder familiäre Schicksale, psychische Erkrankungen oder Überforderung können dazu beitragen, dass zum Beispiel die medizinische Versorgung des Pferdes nicht mehr geleistet werden kann und die Haltung aus dem Ruder gerät. 

Pferde, deren Hufe vernachlässigt werden und sie somit in ihrer als Fluchttiere lebensnotwendigen Bewegung eingeschränkt sind, Über- und Unterfütterung, Einzelhaltung, Isolation, Haltung in zu kleinen Boxen, kein Freigang oder Tageslicht (klingt schon nach Gefängnisinsasse, oder?) und unsachgemäße Herden-Eingliederung fallen in den Bereich der Gewalt durch schlechte Haltung. 

Was kann ich tun:

 

  • Haltung des Pferdes verbessern
  • regelmäßige Gesundheitschecks 
  • ausreichend Raufutter, Wasser und Unterstellmöglichkeiten
  • Kontakt zu Artgenossen
  • Auslauf 
  • Körpersprache und Schmerzsignale lernen zu deuten
Ponys Wald

3. Folgen von Gewalt

Ganz gleich welche Art von Gewalt am Pferd angewandt wird, die Folgen sind verheerend und je nach Ausmaß hinterlassen sie tiefe Narben – körperliche und seelische. 

Dauerstress mit den dazugehörigen hohen Hormonausschüttungen, autoaggressives Verhalten (Koppen, Weben, Beine anschlagen, Beißen) oder auch Aggression gegenüber Pferden und Menschen, Krankheiten und sogar der Tod können daraus resultieren. 

Ich bin überzeugt, dass auch die eigene Seele nicht ungeschoren davon kommt. 

Es kann eine Verrohung und Abstumpfung eintreten, gegenüber dem Tier, aber vielleicht auch gegenüber anderen Menschen und sich selbst. Menschen, die gewalttätig werden, verlieren oft den Bezug zur Natur, haben Schwierigkeiten, sich zu reflektieren und ziehen sich zurück oder greifen an, wenn sie von Mitmenschen konfrontiert werden. Manche verstecken dann ihre “Methoden” und trainieren nur noch im Verborgenen, wieder andere verkaufen die “schnelle Methode” als Trainingserfolg und geben ihre Aggression an unerfahrene Reiter weiter. 

Menschen, denen ihr falsches Verhalten bewusst ist und die dennoch nicht anders handeln können, können sich bei der Telefonseelsorge (und Chats) anonym Hilfe suchen. 

 Telefonseelsorge Deutschland0800-1110111 

4. Motive und Erklärungen für Gewalt

Begründungen der Gewalt-Ausübenden und Gründe für Gewalt sollen hier unterschieden werden. 

Begründungen

  • Dominanztheorie

Sehr häufig wird ein gewaltvoller Umgang mit dem Pferd mit der Begründung „Das Pferd ist dominant” gerechtfertigt. Das Pferd möchte sich kratzen? “Lass das nicht zu, das ist eine Dominanzgeste!” Das Pferd lässt sich nicht trensen? „Das Pferd ist so dominant.” Das Pferd buckelt? „Das ist dominant” … Auch diese Liste lässt sich endlos fortführen.

Dabei ist die Dominanztheorie mittlerweile widerlegt.  

  • Pferde untereinander sind auch brutal

Brutaler Umgang mit Pferden wird oft damit gerechtfertigt, dass Pferde untereinander auch nicht zimperlich sind. Hier empfehle ich die Bücher von Mark Lubetzki, in denen er aufzeigt, dass im Herdenverband tretende und beißende Pferde eben nicht an der Tagesordnung sind. Es kommt sehr selten zu echten Auseinandersetzungen und wenn, dann findet ein Kampf insbesondere dann statt, wenn ein Hengst dem anderen seine Stuten abspenstig machen möchte. Streitigkeiten in vom Mensch zusammengestellten Herden liegen oft daran, dass wir die Herden bunt zusammen mischen, oftmals zu wenig Raum für zu viele Pferde, zu wenig Futterplätze und zu wenig Ausweichmöglichkeiten vorhanden sind. Herdenmitglieder kommen und gehen, was jedes Mal Unruhe in die Gemeinschaft bringt.

Kleinkinder in der Sandkiste fangen auch an, sich gegenseitig zu schlagen, wenn sie die Schaufel von den anderen haben möchten. Ist das ein Argument, dass wir Kinder verprügeln dürfen? Nein!

  • Das Pferd muss funktionieren

Ja, Pferde brauchen eine solide Grunderziehung. Sie dürfen nicht entscheiden, ob und wann sie auf eine Straße laufen. Damit ein Pferd in unserer Welt zurechtkommt, muss es sich führen lassen, vom Tierarzt behandeln lassen, auf einen Pferdeanhänger gehen und vieles mehr. All das kann ich dem Pferd aber auch pferdefreundlich beibringen (siehe Tipps am Ende des Artikels). 

Weitere Gründe:

  • Sehnsucht nach Erfolg
  • Angst vor dem “Versagen”, Lästern an der Bande, sozialer Verachtung
  • Hilflosigkeit
  • das Gefühl, abliefern zu müssen und nur gut zu sein, wenn etwas schnell gelöst wird
  • Zeit und Geld, Druck von Seiten der Besitzer, durch das soziale Umfeld (“ich kann mir nur einen 4 Wochen Beritt leisten”)
  • Überarbeitung, Stresslevel zu hoch, kein angemessenes Ventil (Sport, Meditation)
  • schlechte Mentoren (oft wird bereits bei Kindern im Reitunterricht gelehrt, dass etwas so geht und so gemacht wird und auch später werden die Anweisungen des/der Trainer*in oder Reitlehrer*in häufig nicht reflektiert, sondern blind befolgt)
  • Pferde wehren sich selten bei den ersten Gewaltanwendungen (Strick auf die Brust hauen, aufs Maul schlagen, in den Bauch treten), dadurch kann es zur Gewohnheit werden, das man solche Dinge tut
  • eigene Gewalterfahrung

5. Wie reagiere ich, wenn ich Zeuge von Gewalt werde?

  • Gewalt beobachten bei anderen 

Die ewige Frage: Sag ich was oder bleibe ich still?

Soll ich mich einmischen? Wenn ja, wie? 

Wenn du dich sicher fühlst, selbst tätig zu werden und dich für ein Tier, das Gewalt erfährt, einsetzen kannst, gehe als Vorbild voran. 

Stelle Fragen, biete deine Hilfe an oder biete Hilfe an, mit der Person gemeinsam einen Experten zu finden. Vermeide persönliche Angriffe, erkundige dich zum Thema gewaltfreie Kommunikation, zeige Alternativen auf. Und wenn das alles nicht hilft oder du dich unsicher fühlst, finde den Mut, jemanden anzuzeigen oder behördlich beim Veterinäramt zu melden. Sammle dazu Informationen von Ort, Personen, Uhrzeit, Datum, mach Fotos, hab Zeugen. 

Hier kannst du Tierquälerei beim Tierschutzbund melden

Hier kannst du Tierquälerei bei PETA melden

Im Internet findest du auch bundeslandspezifische Webseiten, an die du dich wenden kannst. 

Meine Einstellung: Schweigen ist eine unterlassene Hilfe für die Schwachen!

B .Gewalt bei mir selbst beobachten 

Wie gehe ich damit um, wenn ich selbst gewalttätig gegenüber Lebewesen war oder bin? Scham- und Schuldgefühle sind schwer auszuhaltende Emotionen. Umso wichtiger ist es, diese als solche wahrzunehmen und sich entsprechend Hilfe zu suchen. Ein Gespräch mit einem vielleicht sogar Nicht-Pferdemenschen kann es einfacher machen, sich einzugestehen, dass man einen Fehler begangen hat. Es ist ratsam, das, was man empfindet, in Ich-Botschaften auszusprechen oder aufzuschreiben. So habe ich auch über meine Fehler mit meinem Pferd Mariscal geschrieben.

Keiner erwartet von uns, alles immer perfekt gemacht zu haben oder zu machen. Und viele von uns sind sicher nicht besonders feinfühlig in die Pferdewelt eingeführt worden. Erinnere dich, wie du zum ersten Mal Pferde wahrgenommen hast. Magische, große Wesen, vielleicht ein bisschen unerreichbar, ein wundervoller Duft, das Gefühl, über ihr Fell zu streicheln. All das sind Momente, die wir wieder hervorrufen müssen, um die Grausamkeit und Rohheit von so mancher Kinderreitstunde zu vergessen. Denn das war nicht, was wir als Kinder wollten. Wir müssen zurückfinden in ein Staunen über diese majestätischen Tiere und willig sein, von ihnen zu lernen, statt ständig ihnen etwas beibringen zu wollen. 

Denn mit dem Gefühl beginnt alles. Wenn Mitgefühl uns leitet, hat Gewalt keine Chance mehr. 

6. Positiver Ausblick

Gewalt passiert. Täglich. Gegen vermeintlich Schwächere. Gegen Kinder, Tiere, Frauen, Minderheiten und all jene, die von der sogenannten “Norm” abweichen. Umso mehr Grund dafür, sich einzusetzen, sich geradezumachen, sich zu trauen, sich helfen zu lassen und anderen zu helfen. Ich sehe mich in der Pflicht, mich für Pferde einzusetzen. Sie haben mir so viel im Leben ermöglicht, so viel gezeigt, so viel über mich selbst gelehrt. Auch ich war nicht immer fair und möchte weiterhin einen reflektierten Blick auf mein Verhalten haben. Ich möchte nicht wegschauen, wenn Unrecht geschieht. Ich möchte nicht sinnlos hinter dem Computer mit dem Finger auf andere zeigen. 

Was ich möchte, ist Alternativen zu bieten, so dass Gewalt keine Option mehr sein muss.  

    Ich möchte Tierhalter*innen, die genug Wissen mit an die Hand bekommen, um pferdefreundlich zu trainieren. Ich möchte Trainer*innen, denen die benötigte Zeit zur Pferdeausbildung gestattet wird, Vereine, die sich mutig aus veralteten Strukturen lösen. Ich möchte Ställe, die wirtschaftlich überleben können, ohne das Pferdewohl einzuschränken. Ich möchte Kinder, die ihrer Intuition vertrauen dürfen und sich gegen schreiende Reitlehrer*innen wehren. Ich moechte Menschen -die René Descartes zum Trotz- in die Welt tragen, wie wundervoll und schützenswert die Seele unserer Tiere ist!

    Und letztlich möchte ich an dich appellieren, dein Herz sprechen zu lassen, dir die Zeit zu nehmen, dein Tier mit Liebe zu betrachten. 

    Das ist es, was mich antreibt.

    Pepe und Babette

     

    Im Folgenden habe ich ein paar konkrete Lösungen zusammengetragen, die vielleicht in der Zukunft eine Hilfe sein könnten. 

    • Beratungsstelle
    • Pferdeführerschein
    • regelmäßige Pflichtkurse für Kinder und Erwachsene bzgl. Umgang und Training
    • sachlicher Austausch auf sozialen Medien statt persönlich zu werden und anzugreifen
    • alte Strukturen reformieren
    • wenn Fehler passieren, sich austauschen, und neue Wege finden
    • Pferde entobjektivieren: Umgang mit Pferden in Filmen (brutales Zügelzerren in Western-Filmen, kein Reitsport in den olympischen Spielen, stärkere Kontrollen auf Messen und Pferdeshows)
    • Sorgen-Hotline für Tierhalter*innen
    • mehr Kontrolle auch in Privatställen und bei Privathalter*innen
    • Veterinäramt staatlich mit Geldern mehr unterstützen 
    • mehr Mut durch Tierärzt*innen, Stallbetreiber*innen, Aufarbeitung und Erneuerung der FN +-Richtlinien etc., Stichwort Reform
    • Bereitschaft mehr Geld und mehr Zeit in Beritt/Korrektur etc. zu investieren
    • als Pferdebesitzer*innen verlangen, von Beginn an beim Beritt miteinbezogen zu werden
    • aufklärende, pro-Pferd ausgerichtete TV-Sendungen 
    • Wir brauchen mehr Unterstützung und weniger Shows, die einem vermitteln, dass man in einer Trainingseinheit alles lösen kann.
    • unangekündigte Kontrollen (Ställen, Shows, Reitunterricht, Beritt, Zuchtverbänden)
    • Kameraüberwachung beim Turnier, Training, Reitunterricht
    • Versicherungsänderungen (gebisslos reiten und trotzdem versichert)
    • Mehr Transparenz im Pferdetraining, kein Geheimnis aus Trainingserfolg machen, Leute einladen zum Zuschauen beim Training und bei der Ausbildung
    • Nicht denken, man muss Expert*in für alles sein, aber auch sein Pferd nicht blind bei einem/einer Ausbilder*in abgeben, stattdessen Teil der Ausbildung sein und sich alles erklären zu lassen
    • Zeit
    • Wissen (Expert*innen, Selbstlernen, Hilfe, Kritik, Weiterbildung)
    • Geduld
    • Bereitschaft, von vorgefertigten Weg abzugehen und individuell auf das Tier eingehen
    • Verständnis aufbringen und verständlich sein (kein Tier weiß, was wir im Kopf haben)
    • baby steps = kleinschrittige Vorgehensweise
    • Pausen
    • Lob
    • Gutmütigkeit
    • positive Verstärkung
    • Fokus auf das, was klappt, um eine positive Trainingsatmosphäre zu schaffen
    • teile diesen Brief an alle Reitschulbetreiber*innen, Reitlehrer*innen, und an Eltern reitender Kinder.
    Pony Buddy liegt

     Tipps, Buchempfehlungen

    Hier habe ich einige Tipps für dich, wenn du dich mit einem pferdefreundlichen Umgang und Training beschäftigen möchtest.

    • Auf “Wege zum Pferd“ findest du viele kostenfreie Blogbeiträge rund um das Thema “es geht auch anders”. Unter anderem findest du die Begleitung einer gesamten Grundausbildung. Mehr Infos findest du hier.

    • Literatur und Homepage von Marlitt Wendt. Die Verhaltensbiologin Marlitt Wendt hat viele sehr gute Bücher geschrieben. Auch ihre Homepage ist eine Schatzgrube! Mein persönliches Lieblingsbuch von Marlitt Wendt ist “Vertrauen statt Dominanz”.
    • Auch wenn ich selbst ein Fan von positiver Verstärkung bin, so gibt es durchaus auch Trainer*innen, die dem Prinzip des Horsemanship folgen, die ich sehr schätze und ich als “pro Pferd” empfinde. Dazu zählen z. B. Jenny Wild, Peer Claßen und Andrea und Markus Eschbach.

    • Die Tellington-Methode: Über Linda Tellington-Jones kam ich vor über 35 Jahren zur Bodenarbeit. Noch heute verehre ich diese Frau und ich bin ihr sehr dankbar für das, was sie über die von ihr entwickelte Boden-und Körperarbeit für die Pferde in die Welt gebracht hat (auch wenn einige ihrer früheren Ausrüstungsgeganstände, wie Führketten und das LTJ-Gebiss, nicht von mir empfohlen werden).

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